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Webinar Typo-Praxis 3: Tipps zur Schriftmischung und Schriftauszeichnung für die Design-Praxis – darauf sollten Sie achten.

By 19. Juli 2020Januar 18th, 2023No Comments

Nicht nur auf die richtigen Typen kommt es an sondern die Mischung macht’s: den Ausdruck, den Sie durch Mischen unterschiedlicher Schriften erreichen können, nennt man den typografische Spannungsbogen erzeugen. Er sorgt für die notwendige Aufmerksamkeit in Ihrem Layout. In diesem Blogbeitrag Typo-Praxis 3 möchte ich Ihnen ein paar Tipps für die stilistisch richtige Schriftmischung und Schriftauszeichnung geben. Dieses Thema finden Sie auch in meinem Webinar zu Detail- und Lesetypografie zur Vertiefung.

Ich möchte nicht behaupten, dass zu einer in der »FF Enzo« gesetzten Überschrift kein Absatztext mit Serifen passt oder der Lesetext in der »LT Soho Gothic« von Sebastian Lester nicht mit Kapitälchen ausgezeichnet werden sollte … Die stilistischen Auswahlkriterien von Fonts habe ich im Blogbeitrag »So wählen Sie Schriften …« beschrieben und ist auch Teil meines Webinars zu Detail- und Lesetypografie. Ich möchte Ihnen als geschulte:n Designer:in diese oft schwere Aufgabe heute selber überlassen. Ohnehin machen persönliche Vorlieben des Auftraggebers für Fonts oder Vorgaben des CD-Handbuchs einem die Arbeit der mühseligen Schriftfindung einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Dafür gebe ich Ihnen aus meiner Praxis ein paar Tipps, worauf Sie bei der Schriftmischung grundsätzlich achten sollten.

Unterschied Schriftmischung und Schriftauszeichnung

Gestalten mit Schrift

Schriftmischung bedeutet Verwendung von zwei oder mehreren Schriftarten aus einer oder mehreren Schriftgruppen. Aber auch Schriftschnitte wie fett oder kursiv einer Schriftfamilie können zur Mischung von Schriften innerhalb eines Designs verwendet werden. Auch die Schriftfamilien von Schriftsippen, heute Superfamily genannt, können zur Schriftmischung und Schriftauszeichnung gewählt werden. Eine Superfamily, auch gemischte oder hybride Schriften genannt, bestehen aus Schriftfamilien unterschiedlicher Schriftgruppen wie Serifenschriften und serifenlose Schriften, die aber einen gemeinsamen Ursprung haben und in ihrer Grundform gleich aussehen.
Schriftauszeichnung hingegen wird häufig mit Auszeichnen des Textes durch Schriftart, Schriftgröße oder des Zeilenabstandes verwechselt.
Tatsächlich handelt es sich aber um typografische Hervorhebungen von Wörtern oder Textteilen innerhalb eines Absatzes mittels Schriftschnitten einer Schriftfamilie, zum Beispiel fett oder kursiv. Zusätzlich können diese Auszeichnungen noch mit Schriftstilen wie Unterstreichung, Versalien, Spationierung oder Kapitälchen weiter betont werden.
Ausserdem wird bei der Schriftauszeichnung in laut und leise unterschieden. Laut wäre demnach, einen Text mit der Schriftfamilie in fett und mit den Schriftstilen Versalien und Spationierung auszuzeichnen – hingegen leise ist die Auszeichnung des Textes nur in kursiv. Dazu aber Beispiele.

Bezeichnung der Schrift
Dieses Chart zeigt die typografische Struktur, mit der wir Schrift in Gruppen, Familien, Auszeichnungsarten und Betonungsmöglichkeiten einteilen.

Wie heißt die Schrift?

Schriftmischung und Schriftauszeichnung mit einer Schriftfamilie und den Schriftstilen

Die Schriftmischung und Schriftauszeichnung mit einer Schriftfamilie und den Schriftstilen einer Schriftart ist die einfachste und ästhetisch sicherste Möglichkeit im Umgang mit Schrift: Überschrift fett, Absatztext normal, Bildunterschrift kursiv – das sind die häufigsten typografischen Auszeichnungen. Aber auch die am wenigsten spannendsten.

Ein Beispiel: der gesamte obere Text wurde in einer Schriftart oder Schriftfamilie mit den Schriftschnitten »Titillium Normal«, »Titillium Bold« und »Titillium Light« gemischt. Laut ausgezeichnet wurden die Überschrift, der Marginaltext sowie die Hervorhebungen im Absatztext mit »Titillium Bold«. Leise hingegen ist der darunter stehende Webtext in »Titillium Light«.
Zusätzlich sind die lauten Auszeichnungen der Überschrift und die Hervorhebungen im Text noch mit den Schriftstilen in Versalien und mit Spationierung versehen, um sie deutlicher und kontrastvoll vom Grundtext zu differenzieren. Alles klar?

Schriftmischung und Schriftauszeichnung mit Schriften aus zwei Schriftgruppen

Spannend wird es, wenn zur typografischen Gestaltung Schriften aus zwei Gruppen gemischt oder ausgezeichnet werden sollten, nämlich eine Sans Serif und eine Serif. Das gelingt auch erfahrenen Typografen nicht immer auf Anhieb, denn zwei Schriften einzeln betrachtet passen nicht immer zusammen. Woran das liegt, zeigt das folgende Chart:

Noch ein Hinweis: Achten Sie im oberen Chart einmal auf den Zeilenabstand des linken Marginaltextes und den des Haupttextes. Beide Schriftgrößen sind unterschiedlich groß; jedoch der Zeilenabstand ist bei beiden Textgruppen so gewählt, dass jede 2. Zeile des linken und jede 3. Zeile des rechten Blocks sich wieder im Grundlinienraster treffen. Diese Technik nennt man mit „alignierenden“ Zeilenabständen im Grundlinienraster arbeiten.

Darauf sollten Sie achten, wenn Sie zwei Schriftgruppen mischen

Wenn Sie eine Sans Serif (serifenlose Schrift) mit einer Serif (Serifenschrift) mischen, sollten Sie auf die Übereinstimmungen der Eigenschaften beider Schriften achten:

  • Die x-Höhen beider Schriften sollten auf gleicher Linie stehen,
  • die Breite, bzw. die Innenflächen des Buchstaben n sollten ähnlich sein,
  • beide Schriften sollten das gleiche offene a, die gleiche Spreizung und Spitze des Buchstabens M sowie die gleiche Anordnung des Strichs beim Q haben.
  • Weitere wichtige Übereinstimmungen sind neben der Buchstabenbreite und Strichstärke (Dickte) der Schrift der geschwungene Fuß des Buchstaben t.

Schriftmischung und Schriftauszeichnung mit der Superfamily – ein typografisches Highlight

Wie erhöht man den typografischen Spannungsbogen im Layout? Eines der spannendsten Themen in der Typografie ist die Auswahl von Fonts als Schriftsippe – heute Superfamily genannt. Was macht die Arbeit mit Superfamilies so spannend? Superfamilies bestehen aus Schriftfamilien der Schriftgruppen Sans Serif und Serif. Obwohl die Schriften Serifen, Halbserifen oder auch keine Serifen haben, sehen sie in der Grundform gleich aus, weil sie beim Entwurf der Schrift aufeinander abgestimmt wurden. Der Umgang mit Superfamilies ist bei der Mischung von Fonts daher besonders einfach denn man kann bei der Gestaltung weder typografische noch stilistische Fehler begehen. Obwohl Superfamilies sich durch gleiche Grundformen wie x-Höhen, Buchstabenformen oder ähnliche Schriftstärkenkontraste auszeichnen, wirkt das Design aufgrund der Zuordnung der Schriftfamilien in unterschiedliche Schriftgruppen sehr abwechslungsreich. Oder vereinfacht gesagt, das obere Beispielchart sieht aus, als hätte man zwei unterschiedliche Schriften mit Serifen und ohne Serifen verwendet.

Schriftsippe, Hybrid-Fonts oder Superfamily – gleiche typografische Merkmale

Der Ulmer Typograf und Grafik-Designer Otl Aicher, der unter anderem das Corporate-Design für Olympia 1972 entwarf, zeichnete eine der ersten und erfolgreichsten Hybrid-Schriften, die er nach seinem Schaffens-Ort im Allgäu benannt hatte: »Rotis Serif«, »Rotis Semi Serif« und »Rotis Sans Serif«. Noch heute ist sie vielen bekannt und wird häufig als Corporate Schrift von Pharmaunternehmen, Klinik-Gesellschaften, Reha-Unternehmen und Beauty-Marken genutzt:

Beispiel Styleguide Webdesign mit der Superfamily »Merriweather«

Gestaltung mit Webfonts

Ein weiterer Grund, warum Designer gerne Hybrid-Schriften verwenden, ist die Möglichkeit, einfache und verständliche Vorgaben für den Umgang mit Schrift in Corporate Design-Handbüchern zu definieren. Sie führen zum besseren Verständnis in der Anwendung eines Corporate Fonts, vor allem, wenn externe Anwender oder internationale Partner mit den Design-Vorgaben arbeiten sollen. Ich habe den Vorteil von Hybrid-Fonts beim Entwickeln und Überarbeiten von internationalen Corporate Design-Handbüchern wie diesen Web-Styleguide immer gerne und erfolgreich genutzt. Außerdem erhöht diese Art der Schriftmischung immer den typografischen Spannungsbogen.
Tipp: Probieren Sie doch diese Google Superfamilies einmal aus.

Schriftgruppe 4 Display Fonts und Schriftgruppe 5 Character Fonts mit anderen Schriftgruppen mischen

Typografische Schriftauswahl für Werbung. Magazin. FlyerSchriften der Schriftgruppen 4 und 5 haben eines gemeinsam: sie dürfen aufgrund ihrer plakativen und handschriftlichen Charaktereigenschaften nicht als Absatzschriften für den Lesetext verwendet werden, weil sie in kleineren Schriftgrößen aufgrund „zulaufender Punzen“ schlecht lesbar sind.

Schriften Fonts für Magazin und Buchdesign Jugend

Zu dieser plakativen Überschrift passt nur eine einfache und schlichte Leseschrift als Grotesk oder Antiqua. Beachten Sie hier die Positionierung der Textabstände und -gruppen zueinander: um einen höheren Spannungsbogen im Layout zu erzielen, arbeite ich bewußt in der Gestaltung mit Drittel-oder Fünftel-Abständen und Einteilungen. Auch zu diesen Gestaltungsthemen wie Fläche, Abstände, Weißraum oder Text- und Bildgrößen im Layout veranstalte ich das Webinar Typografie und Layouttechnik für Flyer und Magazine.

Schriftgruppe 5 Character Fonts – Handschriften, Federschriften und Pinselschriften

Wieviele Schriften kann man mischen?Eine Besonderheit von Character Fonts oder auch Scriptschriften genannt, ist die Möglichkeit, Pinsel, Hand- oder Federschriften immer mit Schriften der Gruppe 1 Sans Serif und Gruppe 2 Serif zu mischen. Das obere Beispiel aus einem Food-Magazin zeigt sehr professionell die Auswahl der Scriptschrift zum Thema sowie die stilistisch gelungene Mischung einer serifenlosen Schrift und einer Serifenschrift in den Auszeichnungen Versalien und Farbe.

Plakatschriften, Pinselschriften, Schreibschriften, Federschriften.Noch zwei weitere Beispiele zur Schriftmischung mit einer Antiqua, Slab Serif und Serif als Leseschrift. In allen drei Beispielen ist es wichtig, zu gestalteten Überschriften immer einfache und gut lesbare Absatztext-Schriften zu wählen. Dadurch verhindern Sie, durch zu ähnlich wirkende Schriften die Spannung zu verlieren.

Plakatschriften, Pinselschriften, Schreibschriften, Federschriften.

Verwendung von unterschiedlichen Schriften in der Typografie und im Design.Achten Sie bei der Gestaltung mit Pinsel-, Feder- oder Schreibschriften je nach Schriftcharakter auf geschlossene Übergänge der Glyphen.

Fonts mit alternativen Glyphen

Zierbuchstaben für InitialenAdobe InDesign bietet beim Setzen von Text die Möglichkeit, direkt am Textcursor alternative Zeichensätze auszuwählen. Diese ermöglichen es, den Leseanfang von Absatztexten mit Initialen oder den Anfang oder das Ende eines Wortes mit Schmuckbuchstaben ausdrucksvoll zu gestalten. Voraussetzung ist natürlich, dass die Schrift über alternative Zeichensätze auch verfügt.
Neben der Auswahl am Textcursor können Sie über das Bedienfeld »Glyphen« die „Alternativen Zeichensätze« auch direkt auswählen und mit Doppelklick in den Text einfügen.

Meine Praxis-Tipps zur Schriftmischung und Schriftauszeichnung im Kommunikationsdesign

  • Mit den Schriftschnitten einer einzelnen Schriftart oder Schriftfamilie Schriften mischen und auszuzeichnen ist die einfachste Möglichkeit, typografisch korrekt und stilistisch sicher zu gestalten. Vario-Fonts einer Schriftgruppe die Sie in Adobe InDesign ab der Version V2020 anwenden können, bieten dazu unbeschränkte Möglichkeiten.
  • Vermeiden Sie, ähnliche Schriftarten einer einzelnen Schriftgruppe, beispielsweise »Frutiger« und »Helvetica« zu mischen, sondern beschränken Sie sich auf die Schriftfamilie wie fett oder kursiv einer Schriftart wie »Frutiger«.
  • Schriften der Schriftgruppe 3 Slab Serif eignen sich aufgrund ihrer eleganten und zugleich deutlichen Form für das Design fast aller Produktbereiche. Aufgrund des geringen Strichstärkenkontrasts der senkrechten und waagerechten Strichstärke und der meist offenen Punzen können sie von der Überschrift bis zur Bildunterschrift in nahezu allen Schriftgrößen angewendet werden.
  • Wenn Sie Sans Serif- und Serif-Schriften mischen, sollten sie auf einheitliche Merkmale der Glyphen a, M und Q sowie auf gleiche x-Höhen und ähnliche Buchstabenbreiten achten, damit beide Schriftgruppen typografisch zusammen passten.
  • Eine weitaus einfachere, kreativere und abwechslungsreichere Form der Schriftmischung ist die Wahl von Schriftfamilien aus der Superfamily. Mit ihr erzielen Sie am leichtesten den typografischen Spannungsbogen im Layout, weil diese Schriften aus verschiedenen Schriftgruppen stammen und ihre Grundform beim Entwurf aufeinander abgestimmt wurden.
  • Verwenden Sie Display- und Character Fonts nur in großen Schriftgrößen wie beispielsweise für Überschriften, Initialien oder sonstige grafische Gestaltungen. Mischen Sie diese immer nur mit weniger auffälligen und einfachen Leseschriften der Schriftgruppe 1 Sans Serif oder Gruppe 2 Serif.
  • Probieren Sie eigene Möglichkeiten und Ideen zur Schriftmischung aus. Sie sind Designer:in und haben die erworbenen fachlichen Kenntnisse, um dies zu tun oder auch neue Trends zur Verbesserung von Lesbarkeit von Text zu setzen.

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