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Typografie: Ligaturen im Schriftsatz – welche Regeln gelten bei der Anwendung und warum Ligaturen eigentlich nicht notwendig sind.

By 5. Juni 2021März 8th, 2023No Comments

In meinen Webinaren zu Detail- und Lesetypografie und zu richtigen Schreibweisen von Buchstaben, Ziffern und Zeichen werde ich oft gefragt, was genau Ligaturen sind, ob es Regeln bei der Anwendung im Schriftsatz zu beachten gibt und ob man Ligaturen überhaupt setzen sollte.
In diesem Beitrag möchte ich darauf eingehen, was genau Ligaturen sind, wie sie typografisch korrekt angewendet werden und auch, warum wir Ligaturen eigentlich gar nicht (mehr) brauchen.

Ligaturen, lat. ligatura = Verbindung, sind Verbindungen von zwei oder drei Buchstaben, die aufgrund zu großer Abstände durch Unterschneiden zu einem eigenen Zeichen werden; zum Beispiel f und i.
Durch diese optische Korrektur vermeiden Ligaturen unschöne Lücken in den Wörtern und verbessern den Lesefluss von Text. Ligaturen können in fast allen serifenlosen und Serifenschriften gesetzt werden, wobei aber nicht jeder Font automatisch über Glyphen mit Ligaturverbindungen verfügt.

Ligaturen finden ihren Ursprung im Bleisatz
Ligaturen kommen aus dem Bleisatz und hatten als Lettern im Satzkasten nach DIN 16502 ein eigenes Fach. Einzelne Lettern konnten technisch keinesfalls unterschnitten werden. Das untere Bild zeigt den Ausschnitt aus einer bibliophilen Buchausgabe, die im Handsatz unter Verwendung der Ligatur fi als einzelne Letter gesetzt wurde. Ohne diese Unterschneidung würden die Buchstaben f und i eine zu große Lücke bilden und ein unschönes Satzbild abgeben.
Beachten Sie bei der Ligatur den fehlenden i-Punkt der Glyphe. Es wurde eine Satzschrift aus der Schriftgruppe der Venezianischen Renaissance-Antiqua gewählt. Diese zeichnet sich unter anderem durch die deutliche Tropfenform des f-Schweifes aus und lässt den i-Punkt überflüssig werden.

Diese Ligaturarten gibt es
Für meine praktische Arbeit teile ich den Umgang mit Ligaturen ein in Standard-Ligaturen, also solche, die am häufigsten vorkommen sowie Schmuck-Ligaturen und Sonder-Ligaturzeichen ein. Ligatur-Varianten sind bei vielen Fonts eher seltener vorhanden.

Standard-Ligaturen vermeiden mögliche Leerräume zwischen Glyphen und verbessern den Lesefluss im Text, Schmuck-Ligaturen sind bestens geeignet, den Satz ästhetischer oder anspruchsvoller zu gestalten und Sonder-Ligaturzeichen sind solche, die aus Gründen von Zeitersparnis durch schnelleres Schreiben gebildet werden. Beachten Sie beim Titelbild oben die schöne Schmuck-Ligatur, die aus s und t gebildet wurde.

Wenn Ligaturen nicht erwünscht sind
Kennen Sie Fälle, in denen der Auftraggeber durch Ligaturbildung im Schriftsatz den fehlenden i-Punkt eines Wortes bemängelt oder das Lektorat/Korrektorat aufgrund einer Schreibregel eine fehlerhafte Ligaturbildung markiert hat? Wenn Sie aus solchen Gründen Ligaturen im Schriftsatz grundsätzlich vermeiden möchten, dann können Sie in Adobe InDesign als Voreinstellung im Menü Schrift / Zeichen / Untermenü Ligaturen durch Weglassen Häkchen die automatische Schreibung von Standard-Ligaturen deaktivieren. Achten Sie darauf, dass dabei entgegen der Abbildung unten kein InDesign-Dokument geöffnet sein darf, da sich diese Einstellung dann nur auf das geöffnete Dokument bezieht und nicht als grundsätzliche Voreinstellung aktiviert wird.

Im regulären Absatztext sind Ligaturen nicht unbedingt nötig
Echte Ligaturen kommen aus dem Bleisatz, weil einzelne Bleilettern nicht unterschnitten werden konnten. Im heutigen Digitalsatz jedoch sind aufgrund des guten Kernings von Schriften zu große und kleine Abstände zwischen kritischen Zeichen optisch lückenlos ausgleichbar. Dadurch entfällt die Funktion einer Ligatur, so dass man im Schriftsatz auf sie ganz verzichten kann. Im barrierefreien Satz nach DIN 1450 zur besseren Leserlichkeit von Text sollen Ligaturen ohnehin nicht verwendet werden.

Der Satz von Ligaturen kennt Schreibregeln
Außer Schmuck- und Sonder-Ligaturen dürfen im Schriftsatz die Standard-Ligaturen nicht immer angewendet werden – auch wenn sie noch so schön aussehen.

Wichtigste Grundregel:
Ligaturen werden nicht verwendet, wenn sie als Wortverbindung zwischen zwei Stammwörtern gesetzt werden, Beispiel Kaufleute fl ohne Ligaturverbindung – also zwei Wortstämme kaufen und Leute.
Weitere Regeln:
Ligaturen werden ebenfalls nicht gesetzt bei Beugungen am Ende eines Wortes, Beispiel häufte und bei Endsilben, Beispiel käuflich.

Ligaturen im Schriftsatz auflösen oder eine Ligatur setzen
Das automatisch richtige Setzen von Ligaturen funktioniert in Adobe InDesign auch bei Auswahl der aktuellen Rechtschreibprüfung nur unzureichend. Daher sollten Texte mit aktivierter Ligaturschreibung unbedingt Korrektur gelesen werden – am besten durch ein Lektorat. Neben den wichtigsten hier gezeigten Beispielen gibt es noch einige weitere Schreibregeln, in denen Ligaturen nicht gesetzt werden.
Wenn Sie in einem Text eine einzelne Ligatur auflösen oder aus zwei Glyphen eine Ligatur erstellen möchten, ohne den Ligatursatz generell zu deaktivieren, so können Sie mit dem Cursor die gesetzte Ligatur oder die beiden Buchstaben, aus denen Sie eine Ligatur erstellen wollen, aktivieren und dann unmitteldar im Schriftsatz das jeweilige Zeichen auswählen.

Typopgrafische Auszeichnung von Ligaturen
Bei der Hervorhebung eines Wortes im Text, zum Beispiel Kursiv oder Bold, wird die Ligatur gleich ausgezeichnet. Bei der Spationierung eines Wortes wird die Ligatur ebenso spationiert. Dadurch wird die Ligatur automatisch aufgelöst.

Zusammenfassung

  • Aufgrund guter Wort- und Zeichenabstände (Kerning), über die die meisten Fonts verfügen, ist die Verwendung von Ligaturen nicht notwendig.
  • Ligaturen unterliegen Schreibregeln, die beim anspruchsvollen Satz beachtet werden sollen.
  • Bei aktivierter Ligaturanwendung im Computerprogramm können einzelne Ligaturen im Schriftsatz auch manuell aufgelöst werden.
  • Ligaturen – insbesondere Schmuck-Ligaturen – sollten eher bei anspruchsvollen Designprojekten oder im traditionellen Buchsatz verwendet werden.
  • Ligaturen können für alle Textsorten wie Überschrift und Absatztext gesetzt werden.
  • Die Glyphen ß, &, @ und % sind Sonder-Ligaturzeichen. Das Kaufmanns-Und darf nicht anstelle von und im Satz als Abkürzung verwendet werden; Prozent- und at-Zeichen werden im Text ausgeschrieben.

Meine Tipps zum Umgang mit Ligaturen

  • Ich verwende Standard- und Schmuck-Ligaturen nur in anspruchsvollen Drucksachen wie beispielsweise zur Unternehmenskommunikation oder im traditionellen Buchsatz.
  • Ligaturen machen für mich aufgrund der traditionellen Herkunft aus dem Bleisatz eher Sinn in Verbindung mit Serifenschriften. Viele serifenlose Fonts verfügen auch gar nicht in der OpenType-Funktion über Ligaturen als Zeichensätze.
  • Ligaturen vermeide ich grundsätzlich bei Verwendung von barrierefreier Typografie in Verbindung mit leichter Sprache; in der Typografie Inklusion sind sie erlaubt.

Teste dich selbst

Wann dürfen hier Ligaturen verwendet werden?
„Hoffentlich können wir in diesem fiesen Geschäftsjahr 2021 genügend Weinflaschen
abfüllen und mittels der Schifffahrt verschiffen, damit unsere höflichen Bremer Hoflieferaten und Kaufleute nicht vor Gram wegfliegen und aufgrund des mangelnden Umsatzes sie sich nicht die Kauflächen ihrer Zähne auf den Kaufflächen zermalmen um anschließend mit ihren flinken Booten in den Meeresfjorden zu versinken …“