Als gelernter Schriftsetzer zitiere ich gerne den Typografen und Lehrer Günter Gerhard Lange. Er sagte einmal: „Eine Bleiletter in den Händen zu halten und den Charakter zu fühlen – das wäre mal eine gute Therapie für euch tastaturgläubige Bildschirmglotzer.“ Das bestätigten auch die Teilnehmer des ersten Workshops „Bleisatz und Buchdruck wie zu Zeiten Gutenbergs“, die ich am 16. und 17. Juli als Novizen in der Offizin Haag-Drugulin in Dresden begrüßen durfte. Hier ein kurzer Rückblick mit Bildern von Katja Hönow und Zitaten der Kursteilnehmer.
Bleisatz-Novizen mit und ohne Vorkenntnisse
Die Kursteilnehmer reisten aus allen Teilen der Republik und sogar dem Fürstentum Liechtenstein nach Dresden, um das traditionelle Bleisatz-Hand¬werk zu erleben. Was mich besonders gefreut hat: Unter den Teilnehmern waren nicht nur gelernte Grafik-Designer, sondern auch ein Texter und eine Zahntechnikerin. Sie interessierten sich für das Handwerk und wollten es einmal selbst ausprobieren – auch ohne typografische oder fachliche Vorkenntnisse zu haben. Genau das war mein Ziel in der Konzeption des Workshops: Den Bleisatz und Buchdruck für jedermann interessant zu machen. Denn seien wir ehrlich: Schriftgestaltung, Proportionen, schöne Satz- und Buchstabenformen sowie Papier und Drucken gehen uns doch irgendwie alle an, auch wenn wir uns beruflich nur wenig mit Layout- und Grafikdesign beschäftigen.
Ab in die Werkstatt!
Die Offizin Haag-Drugulin gehört zu den größten noch arbeitenden Handsetzereien, Schriftgießereien und Buchdruckereien Europas. Sie verfügt über eine große, unglaublich gut ausgestattete Werkstatt: So erhielt jeder Kursteilnehmer einen eigenen Arbeitsplatz inklusive aller benötigten Werkzeuge wie Winkelhaken, Setzschiff, Ahle und Kolumnenschnur. Nach einer Einführung in die Funktionsweise von druckendem und nichtdruckendem Material habe ich den Teilnehmern gezeigt, wie man den Winkelhaken richtig stellt, greift und bedient. Danach war es bereits Zeit, die ersten Zeilen zu setzen!
Aller Anfang ist gar nicht so kompliziert, wie es sich die Teilnehmer vorgestellt hatten: Als erste Übung setzten wir einen Text im linksbündigen Flattersatz. Bleiletter für Bleiletter, Buchstabe für Buchstabe, Satzzeichen für Satzzeichen. Jede Zeile haben wir natürlich fachmännisch im Winkelhaken „ausgeschlossen“, das heißt den übrig gebliebenen Raum am Ende einer Textzeile mit nichtdruckendem Material gefüllt. Natürlich wollten die Teilnehmer gerne sehen, wie sich ihr Flattersatz auf dem Papier macht. Also haben wir auf der Druckerpresse Abzüge erstellt, begutachtet und danach unseren Flattersatz im Winkelhaken korrigiert (ein paar Schreibfehler hatten sich eingeschlichen – spiegelverkehrtes Schreiben ist doch nicht ganz so einfach …).
Tag 2: Satzarten in Theorie und Praxis
Das bis dahin Erlernte konnte am zweiten Tag inhaltlich und handwerk¬lich vertieft werden: Nach einer theoretischen Einführung in die un¬terschiedlichen Satzarten wie Flattersatz, Blocksatz, axialer und anaxialer Satz sowie Formsatz ging es vormittags zurück in die Werkstatt. Die zweite Aufgabe war ein bisschen komplizierter: Jetzt durften sich die Teilnehmer am Blocksatz ausprobieren! Die Besonderheit dabei liegt im richtigen Ausschließen des Textes, ohne dass dabei zu große Wortabstände entstehen. Dies geschieht durch geschicktes Verkleinern oder Vergrößern der Wortzwischenräume nach einem typografischen Regelwerk. Hier ein Beispiel für eine richtige Reihenfolge beim Verkleinern von Wortabständen:
Vorbereiten des Schriftsatzes für einen Korrekturabzug
Nach dem Setzen von fünf bis sechs Zeilen folgte das „Ausheben“ aus dem Winkelhaken: Dabei werden die Zeilen mittels eines speziellen Klammergriffs mit beiden Händen heraus¬genommen, auf das Setzschiff abgelegt und zu Kolumnen gesammelt. Danach wird der Absatz mit einer Kolumnenschnur befestigt und für den Korrekturabzug mit dem Setzschiff zur Druckmaschine gebracht. „Ausheben“ und „Ausbinden“ der gesetzten Zeilen haben die Teilnehmer übrigens vor die größte Herausforderung gestellt: Wer nicht richtig zupackt, verliert auf halbem Wege die Hälfte seiner Bleilettern – und muss im schlimmsten Fall nochmal komplett neu setzen.
Der anaxiale Zeilenfall: Königsdisziplin des Schriftsatzes
Nächster Bleisatz-Workshop im Dezember
Alles in allem waren die zwei Workshop-Tage zum Thema Bleisatz und Buchdruck wie zu Zeiten Gutenbergs nicht nur für die Kursteilnehmer, sondern auch für mich eine tolle Erfahrung. Ich freue mich deshalb schon jetzt auf den nächsten Workshop am 10. und 11. Dezember!
An dieser Stelle sei auch ein ganz herzliches Dankeschön – sowohl von mir als auch von den Teilnehmern – an die Mitarbeiter der Offizin Haag-Drugulin ausgesprochen. Sie haben uns in den zwei Tagen tatkräftig unterstützt und die Arbeitsplätze bestens vorbereitet und ausgestattet!
In der folgenden Galerie sehen Sie noch weitere Fotos von den beiden Workshoptagen:
Weitere Infos zum Workshop
Die genauen Inhalte des Workshops finden Sie in der Beschreibung des zweitägigen Exklusiv-Workshops Bleisatz und Buchdruck zu Zeiten Gutenbergs. Diese können auch als PDF heruntergeladen und ausgedruckt werden. Der Workshop eignet sich ganz besonders:
- für Designer, die das Handwerk Bleisatz und Buchdruck selbst erfahren möchten
- zum Kennenlernen handwerklicher Grundlagen der typografischen Satzgestaltung
- als Firmen-Event auf fachlichem Niveau oder zur eigenen Fortbildung
- als Geschenk für einen besonderen Anlass
Das war ein Erlebnis. Der Kurs hat wahnsinnig viel Spass gemacht. Das Setzen der Bleilettern hat schon fast etwas meditatives an sich! Ich kann den Kurs wirklich sehr empfehlen. Ich würde sehr gerne noch einmal daran teilnehmen.