Neben der GEO ist die National Geographic Deutschland das Flaggschiff schlechthin von Gruner+Jahr. Es ist berühmt für seine atemberaubenden Fotos und tiefgründigen Texte. Doch wie schlägt sich das E-Magazine der National Geographic Deutschland gegen seine berühmte Print-Schwester? Kommunikationsdesignerin Annika Lyndgrun hat sich das Digital Publishing des Magazins genauer angesehen.
Bereits beim Öffnen der App bekommt man direkt Lust, das Magazin zu lesen: Die Titelseite zeigt als Hintergrundbild ein Video mit sich dramatisch auftürmenden Wolken. Logo und Headline-Schrift werden dabei langsam eingeblendet. Ein toller Anfang, der sich die Stärken des Mediums Tablet zu Nutze macht. Auf weitere Hinweise zum Magazininhalt wurde im Gegensatz zur Printausgabe verzichtet, um die Titelseite nicht zu überladen.
Das Inhaltsverzeichnis ist – analog zur Printausgabe, die für das gesamte Inhaltsverzeichnis eine Doppelseite beansprucht – auf zwei Seiten platziert: eine für die Hauptartikel, eine für die Rubriken. Beide Seiten wirken sehr klar und aufgeräumt. Die Icons unter den Artikel-Bildern verraten dem Leser, ob ihn im Artikel eine Infografik, eine Karte oder Videos erwarten. Gute Idee: Anstelle eines statischen Artikel-Bildes hat die Titelstory das Wolken-Video der Titelseite. Das hebt den Artikel besonders hervor.
Die Titelstory: Schöner graupeln
Die Titelgeschichte zum Thema „Wolken“ startet genau wie die Printausgabe mit vollflächigen Bildern. Die Aufmacherseite wirkt auf dem Tablet etwas unterkühlt, was vor allem an der Headline-Schrift liegt. Die Antiqua würde hier viel emotionaler wirken.
Die National Geographic App geht grundsätzlich mit ihren Schriften etwas anders um als ihre große Print-Schwester. Die serifenlose Schrift wird in der Tablet-Ausgabe oft als Fließtext-Schrift gebraucht, während sie in der Printausgabe nur bei kurzen Texten und Bildunterschriften zum Einsatz kommt.
Die spannende Infografik zur Entstehung von Wolken ist in der Tablet-Version fast identisch mit der in der Printausgabe. Schade, denn gerade interaktive Infografiken können die Leser für das Thema begeistern.
Hier ein Beispiel (dargestellt im Adobe Desktop Viewer), wie ich persönlich den Inhalt zum Thema „Regen, Graupel, Hagel“ gestaltet hätte, um die Grafik interaktiver zu machen:
Macht Lust auf Meer: Der Artikel über die FS Meteor
Der Artikel über die FS Meteor begeistert mich sehr. Nachdem ich den langen Fließtext hinter mir gelassen habe, komme ich an Bord der FS Meteor und werde mit einer 360°-Kamerafahrt um das imposante Schiff herum empfangen.
Danach kann man sich die einzelnen Merkmale des Schiffs genauer anschauen, indem man oben auf die Menü-Reiter tippt. Besonders interessant finde ich hier, dass in der Tablet-Ausgabe die Ausstattung des Schiffs in die Kategorien „Technik“, „Aufbau“ und „Ausrüstung“ eingeteilt wurde. Das macht den komplexen Aufbau viel verständlicher.
Ein weiteres tolles Leckerli für Tablet-User: Der Tauchroboter „Marum-Quest“ wird mit einer aufwendigen Animation und weiteren Fakten vorgestellt.
Das Video für den Schiffsrundgang mit dem sympathischen Kapitän wurde direkt und ohne Umwege über Verlinkungen in den Artikel eingebunden. Einfacher kann man es dem Leser nicht machen.
Nur ein kleiner Wermutstropfen ist dabei: Die Europakarte und der dazugehörige Text sind in der Printausgabe besser dargestellt. Hier kann man die große Karte aufklappen und hat einen schönen Überblick. Das wirkt viel großzügiger und übersichtlicher als in der Tablet-Ausgabe. Hier ist bei der Infografik zum Kalabrischen Bogen die Schrift kaum mehr zu lesen. Insgesamt ist der Artikel aber durch seine Vielfalt sehr gelungen.
Angry as usual: Plattformen und das liebe Geld
Durch das Scharmützel der Tablet-Plattformen sitzt auch die National Geographic zwischen den Stühlen. Neben einer Version für Kindle gibt es die Magazin-App zur Zeit nur für iPads. Hinzu kommt, dass Tablet-Abonnenten mehr zahlen als die Abonnenten der Printausgabe. Das liegt nicht am Verlag selber, sondern an einer Regelung des Finanzministeriums: Auf gedruckte Ausgaben wird ein Mehrwertsteuersatz von 7 % erhoben, auf digitale Produkte wie eine App zahlt der Leser hingegen 19 %.
Fazit zur National Geographic Deutschland App
Das E-Magazine der National Geographic Deutschland ist seriös und klar gestaltet. Es wurde nicht mit unnötiger Interaktivität überfrachtet. An der ein oder anderen Stelle – zum Beispiel bei der Infografik – wäre ein bisschen mehr Interaktivität jedoch nicht schlecht gewesen, um die Leser stärker ins Magazin miteinzubeziehen.
Annika Lyndgrun arbeitet als Kommunikationsdesignerin in Düsseldorf. Bei TypeSCHOOL hält sie den Workshop “Professionelles Digital Publishing für ein interaktives Tablet-Erlebnis“.
Eine wirklich sehr interessante Darstellung des Vergleichs zwischen Print- und E-Magazin! Das ist sehr spannend einmal die Grundlagen zur Umsetzung für ein Tablet-Format kennenzulernen. Nicht nur für Kommunikationsdesigner, die überwiegend Print-Design machen…