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App der Woche #1: Print- und Tablet-Magazin der Reisezeitschrift Merian im Vergleich

By 20. April 2015April 29th, 20154 Comments
Tablet- und Printausgabe des Reisemagazins Merian

Im Format “App der Woche” stellt Kommunikationsdesignerin Annika Lyndgrun wöchentlich gelungene Tablet-Magazine vor.

Das Wort „Magazin“ stammt von dem arabischen Wort makzin ab, was „Lagerraum“ oder „Schatzkammer“ bedeutet. Bei der Gestaltung von Magazinen sind wir also indirekt dazu aufgerufen, den Leser mit unserem Werk zu bereichern. Bezüglich der Tablet-Magazine gibt es da noch viel zu tun. Oft sieht man, dass die Print-Version exakt in eine Tablet-Version umgebaut wurde: hier ein paar Slideshows, da ein paar Buttons. Print- und digitale Medien werden dabei einfach als verschiedene Abspielkanäle betrachtet.
Vorteile des Screen-Designs nutzen
Dass aber zum Beispiel die Texte für eine Tablet-Version bearbeitet, also zum Beispiel gekürzt werden sollten, habe ich bei deutschen Publikationen noch nicht gesehen. Schade, denn das ermüdet den Leser ziemlich schnell. Auch bei sehr hoch aufgelösten Displays ist die Lesefreundlichkeit immer noch eingeschränkter als bei bedrucktem Papier.

Digitale Magazine müssen statt viel Text verschiedene, zweckorientierte interaktive Inhalte mitbringen. Anders als bei Print-Versionen konsumiert der Leser nicht einfach, sondern kann aktiv am Geschehen teilnehmen, zum Beispiel durch Kommentare und eigene Bilder, die Teil des Magazins werden.

Die App der Woche
Wir sollten uns deshalb tiefergehend damit auseinandersetzen, was genau die Print- und Tablet-Medien voneinander unterscheidet. Dafür stelle ich ab sofort einmal wöchentlich eine gelungene App vor und – wenn vorhanden – ihr Pendant in Druckform. Den Anfang macht das Print- und Tablet-Reisemagazin Merian.

App der Woche #1: Das Reisemagazin Merian
Merian erscheint monatlich als Print- und Tablet-Version. Als erstes ist mir aufgefallen, dass die digitale Version eine andere Schrift benutzt als die Printausgabe. Während das Printlayout mit der etwas trockenen Trade Gothic in der Headline und der guten alten Baskerville als Fließtextschrift auskommt, wurde in der Tablet-Ausgabe eine Verjüngung versucht: In den Headline stolziert die florale Museo, als Copy-Schrift eine magere Serifenlose, die ich zwar nicht erkenne, aber mich etwas an die Interstate erinnert. Die kommt mir als Arbeitspferd für Mengentexte auf dem Tablet etwas zu zerbrechlich vor. Auch die Zeichenabstände sind für den dünnen Schriftschnitt meiner Meinung nach zu gering.

Tablet-Version punktet bei Bildern
Die Stärke des Magazins liegt vor allem in den Bildern. In der App-Version haben die Gestalter ihnen besonders viel Raum gelassen, indem sie das Querformat vollständig den Bildern gewidmet haben. Ebenfalls von Vorteil ist, dass die Bilder im Vergleich zur Printausgabe auf dem Display natürlich brillanter wirken. Bilder im Hochformat hingegen werden eher eingesetzt, um den Artikeltexten einen Rhythmus zu verleihen.

Business as usual
Darüber hinaus bietet das etablierte Reisemagazin (wie viele digitale Magazine) die typischen Mehrwert-Merkmale wie Videos und Verlinkungen. Es wird vor allem viel mit Hot-Spots gearbeitet und wenig mit anderen interaktiven Möglichkeiten. Das ist auf der einen Seite vornehm zurückhaltend, auf der anderen Seite etwas monoton. Gut möglich, dass das jedoch für die wahrscheinlich ältere Zielgruppe richtig ist. Wenn man gerade erst mit dem Lesen von Tablet-Magazinen beginnt, findet man hier sehr leichten Zugang.

Bildergalerie: Tablet- und Printausgabe der Merian im Vergleich

 

In der App werden die Bildunterschriften hinter Hot-Spots (hier rote Buttons) versteckt, was an einigen Stellen nicht nötig ist.

 

Auf der Doppelseite der Printversion wurde auch mit Weißraum gearbeitet, den man in der App etwas vermisst.

 

Der Fließtext hat auf beiden Plattformen jeweils eine ganz andere Anmutung.

 

Schöne Idee: Wechselt man in der Merian-App ins Querformat, werden alle Bilder vollflächig als Slideshow gezeigt.

 

Bei dieser Aufmacher-Seite eines Artikels fallen in der Headline die unterschiedlichen Schriftarten auf, die Merian für die Print- und Tablet-Ausgaben verwendet.

 

Die Titelseiten der Merian unterscheiden sich kaum voneinander. Beim Tablet hätte ich ein Video, das ein Panorama dieser Straße zeigt, als Hintergrund besser gefunden.

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4 Comments

  • Katja Maier sagt:

    Was die Länge der Texte anbelangt bin ich anderer Meinung. Wenn ich die digitale Version eines Magazins kaufe, so möchte ich den ganzen Text lesen können! Ich finde es nicht gut, wenn es bei der Tablet Version im Gegensatz zur Print Version nur eine abgespeckte Version gibt. Ich sehe den Mehrwert der Tablet Version in der Verlinkungen zu anderen digitalen Inhalten. Interessiert mich ein Thema wirklich brennend, so würde ich sowieso soweit gehen mir sowohl die Print- als auch die Tabletversion zuzulegen.

    • Das Interessante an einer App sind die vielfältigen Möglichkeiten, sie zu nutzen. Wenn ich beispielsweise mit einer Reiseführer-App unterwegs bin, genieße ich die Möglichkeit, mich vor Ort online über aktuelle Ausstellungen zu informieren oder die Facts eines angesagten Clubs zu erfahren. Andererseits genieße ich es auch, längere Texte über die Stadt oder die Region zu lesen, um mein Wissen zu vertiefen… Also alles geht!

  • Annika Lyndgrun sagt:

    Vielen Dank für deine Rückmeldung, Katja!

    „Abgespeckte“ Versionen findet man natürlich selten gut. Robuste Textkonzepte halten deswegen Kürzungen aus ohne an Substanz zu verlieren. Worauf ich hinauswollte: Die Lesegewohnheiten am Tablet sind andere als bei Printmedien. Das hängt auch mit der unterschiedlichen Zielgruppe zusammen: Jüngere Leser, die die Tablet-Magazine oft ansprechen wollen, sind es häufig nicht gewohnt sehr lange Texte ohne Unterbrechung zu lesen. (“Die Welt” hat mal mit “der Welt Kompakt” darauf reagiert.) Bei Tablets wäre eine Lösung den Text in Primär- und Sekundärinformationen einzuteilen. Bei Bedarf kann der Leser dann zu einer tieferen Informationsebene kommen, zum Beispiel durch ausziehbare Textfelder. Klar, im Berufsalltag in fehlt da schlicht oft die Zeit für. Aber dann sollte der Text in kleineren Häppchen daherkommen, unterbrochen von z.B. Infografiken und Videos.